© Susanne Gollor / Aiguille de Sugiton

Nicht zu alt zum Klettern

Gemeinschaftsfahrt der Trittfinder in die Calanques

10.11.2023

Die Calanques sind ein Mittelgebirge in Südfrankreich zwischen Marseille und Cassis.

Die erste Gemeinschaftsfahrt der 2021 gegründeten Trittfinder führte nach Südfrankreich in die Calanques. Insgesamt waren wir 19 Teilnehmer. Die Gruppe war zum Teil auf dem Campingplatz Les Cigales in Cassis, zum Teil in einer Villa oberhalb von Cassis untergebracht. In der Villa war zunächst Improvisationstalent beim „Standplatzbau“ gefragt: Zum einen standen in allen fünf Räumen nur französische Doppelbetten mit großer Decke zur Verfügung; für die meisten von uns war das doch zu viel kuschelige Nähe zum Kletterpartner. Zum anderen fehlte es noch an vielem: von der Kaffeemaschine über Gläser bis hin zur Toilettenbürste. Dafür war Uromas Tafelsilber vorhanden1. Die Probleme wurden mit viel Kreativität gelöst, und als wir dann alle zufrieden beim Abendessen auf der Terrasse mit Blick aufs Mittelmeermeer in der untergehenden Sonne saßen, konnte endlich die Planung der Touren beginnen. Die 19 Teilnehmer hatten sich schnell auf drei Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe mit Schwerpunkt „Klettergarten“ eine Mehrseillängen-Gruppe sowie eine Gruppe, die sich der ebenfalls auf dem Campingplatz übernachtenden Duisburger Familiengruppe angeschlossen hatte.  

Klettergebiet Morgiou - Parc des Baumettes: Les Èvadés, Lou Mistral und Dalle à Péage 

Die Kletterfelsen befinden sich direkt an einem Parkplatz: ein perfektes Gebiet zum Einklettern für alle. Es gibt dort Einseillängen in Schwierigkeitsgraden zwischen 3b und 6b+ in sehr schönem, nicht abgespeckten Kalkstein mit menschenfreundlichen Hakenabständen. Ein Bad im warmen Mittelmeer rundet den perfekten Tag ab.  

Klettergebiet Vanoise (nicht gefunden) und Klettergebiet Ètoile Noire  

Da wir in der Klettergartengruppe eine Fußverletzte haben, wählen wir aus dem Kletterführer La Ciotat das Klettergebiet La Vanoise mit nur sieben Minuten (!) Zustieg. Nachdem wir auf der Suche nach dem Felsen 70 (!) Minuten in der kratzigen Botanik herumgeirrt sind, informiert uns ein entgegenkommender deutscher Kletterlehrer, das Gebiet tauge eh’ nichts, da feucht. Also zurück zum Auto unter Kommentaren unseres begleitenden Nichtkletterers: „Ihr solltet Euch in Trittsucher umbenennen“. Unsere Fußverletzte trägt’s mit Fassung.  

Im Étoile Noire kommen wir dann noch auf unsere Kletterkosten. Es handelt sich um einen Sandstein-Bruch mit schönen Routen in Schwierigkeitsgraden zwischen 3c und 8b. Ein schönes Gebiet, eine Abwechslung zum Kalkstein und windgeschützt, wenn der Mistral bläst. Und erfreulich leicht zu finden.  

Klettergebiet Sormiou: La Pouce 

„Kletterer in den (franz.) Graden 4-5 werden die Routen in diesem schönen weißen Fels genießen“, sagt der Führer. Dem ist nichts hinzuzufügen. Schwierigkeitsgrade zwischen 3b und 6b+. Gut gesichert.  

Klettergebiet Sormiou 

Als erstes entscheidet sich die Mehrseillängengruppe für die Route Melody. Passend - mit zwei Berufsmusikerinnen im Team. Vom Parkplatz in der Bucht von Sormiou aus machen wir uns auf den Weg. Dazu müssen wir zum Rücken des Sormiou aufsteigen, uns durch einen „Geburtskanal“ zwängen und uns an Fixseilen und durch zweimaliges Abseilen zum Startpunkt dicht über der Wasseroberfläche begeben. Nach diesem abenteuerlichen Zustieg genießen wir das Klettern über eine griffige Platte (5c), eine Traverse nach links und dann weiter über Platten und Verschneidungen zum Ausstieg. Das alles in harmonischer Routenführung und mit tollem Meerblick. Alles in allem ein Genuss. Zur Belohnung erfrischen wir uns nach dem Abstieg im Meer.  

Wir klettern noch zwei weitere Routen in diesem Gebiet. Zunächst L’Hallu Nulle, eine Route mit 140 m und 6 SL (4c, 5a, 5b, 4c, 4a). Der Zustieg wieder über den Crête de Sormiou, diesmal aber etwas weiter über den Col du Lui d‘Ai und dann an Meeresseite den Einstieg finden. Die folgende Route, Les Traces du Passé (4c, 5c+, 5c, 5c, 5b, 5b) liegt am Bec de Sormiou auf der Südostseite. Der Zustieg erfolgt über einen schwarz markierten Weg bis zum Cap Redon. Das letzte Stück steigt man steil zum Meer ab. Auch hier wieder eine gut abgesicherte Plaisierroute mit der Schlüsselstelle in der zweiten Seillänge. Da das Wetter wie immer fantastisch sonnig ist, sind wir froh, einmal auf der Schattenseite zu klettern.  

Klettergebiet Luminy - Aiguille de Sugiton 

Die Bewertung ist hier insgesamt etwas härter als in den übrigen Sektoren. Eine Seilschaft begibt sich in die Mehrseillängenroute La Directe auf die Aiguille de Sugiton (4 SL: 3b, 4b, 4c, 4c), sehr abwechslungsreich mit Traverse und Kamin. Als Belohnung folgt ein großartiger Blick auf das Mittelmeer, die Felsen und die Buchten von Morgiou und Luminy. Parallel findet auf dem Rückweg zum Auto eine Bergrettung statt: eine portugiesische Wanderin, die vor einem steilen Wegabschnitt völlig blockiert war und nicht weitergehen wollte, wird mit einer Abseilaktion aus Bergnot gerettet.  

Fazit:  

Eine tolle Woche, ein tolles Klettergebiet, großartige Möglichkeiten, bester Fels (wenn man ihn findet) und gute Stimmung. Das Wetter war großartig, der Mistral ist uns erspart geblieben. Dank an Walter Weiß für die Anregung und die Vorabinformationen und an Jochen Quenders für die Hauptlast der Organisation. Den Vorschlag unseres begleitenden Nicht-Kletterers, uns von „Trittfinder“ in „Trittsucher“ umzubenennen, werden wir an Charly weiterleiten.  

Um jeden Verdacht auszuschließen: Das Tafelsilber war auch am Ende der Woche noch in der Villa. 
 

Text: Jutta Klöwer und Heidrun Stritzke 

Verwendete Literatur:  

Bernard, Gilles u.a.: Escalade. La Ciotat: 650 voies entre Cassis et La Ciotat. Edition 2012. 
Bernard, André u.a.: Climbing in the Calanques. Edition 2020. 
Karten: IGN-Karten 3145ET (Marseille) und 3245ET (Aubagne La Ciotat)