Der breite Schotterweg von der Auronzohütte über die Lavaredohütte, Paternsattel zur Drei Zinnen Hütte hat sich in den Jahren auch nicht verändert, jedoch deren Besucher.
Jeden Morgen ab 07.30 Uhr rauschen PKW und Motorräder die Mautstraße hoch und bekommen einen Parkplatz rund um die Auronzohütte zugewiesen. Manche Autofahrer interessiert dies nicht. Einer parkt seinen SUV in zweiter Reihe unmittelbar vor der Hütte, steigt mit der gesamten Familie aus und lässt andere an ihrer Unterhaltung teilhaben. Rund 35 Wohnmobile bilden mit viel Fantasie eine fast institutionelle Wagenburg.
Je weiter der Tag voran schreitet umso voller, bunter und internationaler wird es auf dem Wanderweg 101. Motorradfahrer tragen in Motorradkluft ihren Helm sparzieren. Eine Frau trägt im Wickeltuch ihren Hund über den Catwalk. Ein Pärchen fragt auf dem Paternsattel in Englisch, ob hier ein Restaurant wäre. Viele Menschen sind gekleidet wie in einer Großstadt, feine Lederschuhe mit glatter Sohle. Es hat geregnet, Pfützen stehen auf dem Catwalk. Ein Kind sagt zu seinen Eltern, dass seine Schuhe dreckig werden. Der Catwalk ist überlaufen und laut. Drohnen schwirren in der Luft. Viele unterhalten sich mit ihrem Handy.
Unser Blick richtet sich nach oben. An der Südwand der Kleinen Zinne erkenne ich im Gegensatz zum überfüllten Catwalk „Exoten“. Fast jeden Tag klettern hier dieselben Seilschaften „Ötzi triff Yeti“ und die „Gelbe Mauer“. Es scheint als bouldern sie die extrem schweren Kletterouten im oberen achten Grad aus. Jeden Tag kommen sie ein Stück weiter nach oben. Auch bei unseren Kletterrouten treffen wir Gleichgesinnte. Ich schöpfe Hoffnung.
Am letzten Klettertag werden wir auf dem Catwalk durch Rafael angesprochen. Rafael klettert sonst in Kalifornien und ist gerade an den Drei Zinnen angekommen. Er selber klettert zwar im sechsten, sucht aber für seine Freunde eine Klettertour im zweiten bis dritten Grad. Er fragt uns ob wir den Normalweg auf die Westliche Zinne kennen würden. Wir teilen ihm unsere diesjährige Erfahrung beim Abstieg der Route mit, dort liegt so viel Schnee in den Scharten auf dem Normalweg der Westlichen Zinne, teilweise bis zu drei Meter hoch, das der Abstieg deutlich schwieriger und zeitintensiver ist. Alternativ schlagen wir ihm den Südgrat auf die Große Zinne vor. Dieser hat den Vorteil, dass er an mehreren Stellen abgebrochen werden kann und im unteren Teil nicht über den dritten Schwierigkeitsgrad hinausgeht; es liegt dort auch kein Schnee. Rafael bekommt den Link aus alpenvereinaktiv.com. Zufällig führt unser Weg am Einstieg des Südgrates vorbei, so dass uns Rafael ein Stück begleitet. Am Abend kommen wir ins Gespräch. Rafael hat südlich der Marmolada ein Haus gekauft. Ihm schwebt für ein Jahr ein „climbing house“ vor, Leute kommen, übernachten und klettern mit ihm.
Der Catwalk ist mittlerweile leer gefegt, die Sonne geht unter und strahlt die umliegenden Gipfel an. Wolken sinken in die Täler. Ruhe kehrt an den Drei Zinnen ein.
An unserem letzten Abend treffen wir ein schwedisches Kletterpärchen. Beide sind an diesem Tag aus Luxemburg angereist, haben am Abend noch die ersten beiden Seillängen der Gelben Kante geklettert. Am nächsten Tag möchten sie die Klettertour vollenden.
Es gibt sie also doch noch, Kletterer, Wanderer, Bergsteiger die den Catwalk als Wanderweg nutzen. Zufrieden mit unseren Klettertouren, Erlebnissen und Berggeschichten treten wir unseren Heimweg an.
Oliver Knorre